Koalitionsvertrag und Kommunen: Bezahlbar Wohnen, klimagerecht Gestalten, Lebensqualität sichern

Für die DEMO habe ich eine Einschätzung zu der Bedeutung des Koalitionsvertrages für Kommunen geschrieben. Hier könnt Ihr den gesamten Artikel, der in der Dezemberausgabe erscheinen wird, lesen.

1. Wohnungspolitik der Zukunft

Die Bau- und Wohnungspolitik der kommenden Legislaturperiode steht vor gewaltigen Aufgaben:

  • ökologisch – um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen,
  • ökonomisch – um die riesige Angebotslücke verfügbarer Wohnungen auf dem Markt zu schließen und
  • sozial – um Wohnen zu ermöglichen, die sich die Menschen leisten können.

Die Antworten sind alles andere als einfach: Die Treibhausgasemissionen (THG) im Gebäudesektor müssen bis 2030 von derzeit 120 auf dann 67 Mio. Tonnen CO2 – Äquivalente gesenkt werden.

Mit 400.000 neuen Wohnungen als jährliche Zielmarke, darunter 100.000 mit Sozialbindung für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu sorgen und damit auch den sozialen Zusammenhalt zu erhalten, ist ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt.

Wir wollen mit einem Bündel von Maßnahmen, wie z.B. der sozialen Wohnraumförderung, der Förderung von Genossenschaften und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, der Begründung einer neuen Gemeinnützigkeit, der Stärkung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA), einem verbesserten Mietrecht und novelliertem Bauplanungsrecht ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Die Herausforderungen sind unbestritten. In vielen deutschen Großstädten treibt die Wohnungsknappheit die Mietpreise immer weiter nach oben. Politische Versäumnisse der Vergangenheit kumulieren mit einer renditegetriebenen Immobilienwirtschaft zu sozialem Sprengstoff.

Zeitgleich müssen deshalb mehrere Ziele verfolgt werden.

Beginnen wir mit der Quantität: Wir haben im Koalitionsvertrag die richtigen Weichen gestellt. Auf Bundesebene ist das Ziel auf 400.000 Wohnungen pro Jahr hochgesetzt, darunter 100.000 Sozialwohnungen. Zielgruppen wie Auszubildenden, Studierenden, kurzum das junge Wohnen werden wir mit einem Bund-Länderprogramm in den Blick nehmen.

Um all dies umzusetzen, reichen die Bundesmittel allein nicht aus, wir brauchen zusätzliche Investitionen von Ländern, Kommunen und der Immobilienwirtschaft. Und: Wir brauchen ein Bündnis für bezahlbares Wohnen, das sich alle zur Aufgabe machen.

Wir schaffen für die Bau- und Immobilienwirtschaft einen verbindlichen und transparenten Rahmen aus gesetzlichen Vorgaben, differenzierter Förderung und steuerlichen Anreizen. Damit wollen wir ein verlässliches Angebot machen, damit Kapazitäten aufgebaut, Fachkräfte ausgebildet und eingestellt werden und die Modernisierung der Bauwirtschaft durch Digitalisierung, Verfahrensbeschleunigung und Baukostensenkung unterstützt wird.

Gleichzeitig müssen alle Instrumente zur Begrenzung der Mietsteigerungen weiterhin eingesetzt und möglichst präzisiert werden. Wir werden die Mietpreisbremse verlängern, Mietsteigerungen mit einer Verschärfung der Kappungsgrenze begrenzen, die Qualität des Mietspiegels verbessern und mehr Transparenz bei Nebenkostenabrechnungen sicherstellen. Schließlich wollen wir auch die Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 beenden. Besonders spannend dürfte der Wechsel von der klassischen Kalt- zur Teilwarmmiete werden, in die die Modernisierungsumlage aufgehen soll.

Dies ist im Übrigen ein Schritt, der Eigentümer und Mieter gleichermaßen zu klimagerechtem Verhalten führen soll. Sollte dies nicht bis zum 1. Juni 2022 erreichbar sein, wird der CO2-Preis zwischen Mietern und Vermietern gerecht geteilt. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Einschränkung des kommunalen Vorkaufsrechts in Gebieten mit sozialen Erhaltungsgebieten fordert den Gesetzgeber und ist aktuell als Aufgabe formuliert.

Auch die Eigentumsförderung ist Gegenstand des Koalitionsvertrages: das selbstgenutzte Eigentum ist vor allem außerhalb der Ballungsgebiete das Ziel vieler Menschen. Angefangen von Zinszuschüssen über Veränderungen bei der Grunderwerbssteuer und dem Kauf von Genossenschaftsanteilen werden Perspektiven aufgezeigt.

Apropos Steuern: Die langersehnte Erhöhung der linearen Abschreibung für den Neubau dürfte ebenso einen Impuls geben. Ebenso ist der Kampf gegen Geldwäsche und illegale Finanzierung im Koalitionsvertrag nicht ausgeblendet, im Gegenteil.

Zu einer gewaltigen Herausforderung im Wohnungsbau werden sich die Klimaziele entwickeln. Neue Standards für den Wohnungsneubau und mehr Gewicht auf die Quartierssanierung zu legen, das sind die beiden Stränge des Konzepts. Flankiert werden sie von Sanierungsfahrplänen, Innovationspartnerschaften und einer Förderoffensive zur technischen Optimierung bei gleichzeitiger Beachtung von Lebenszyklen und der vorhandenen grauen Energie. Gebäudeeffizienz und Quartiersanierung müssen in Einklang gebracht werden mit den quantitativen Ausbauzielen und der sozialen Herausforderung bezahlbarer Miete und kostengünstigen Bauens.

Für die Klimaziele im Gebäudesektor gilt, dass notwendige Modernisierungen vorangetrieben werden müssen, die Kreislaufwirtschaft zu stärken, der Flächenverbrauch zu reduzieren und die Gebäudeeffizienz zu fördern sind.

2. Kommunen

Unsere Gebäude sind immer Teil unserer Kommunen, weitgehend in den bebauten Ortslagen. Deshalb ist fortschrittliche Wohnungspolitik immer auch Stadtentwicklungspolitik. Die Kommunen als unmittelbare Erfahrungsebene sind gleichsam querschnittsorientiert im Koalitionsvertrag angesprochen.

Es ist ein wichtiges Signal für die hochverschuldeten Kommunen in Deutschland einen Altschulden-Schnitt zu schaffen. Mit der Union war das nicht zu machen, obwohl die NRW Kommunen besonders betroffen sind. Wer allerdings gleichwertige Lebensverhältnisse als Auftrag ernst nimmt, muss Hilfe nach Bedürftigkeit leisten, der Altschuldenfond gehört dazu. Die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist mit dem Abschnitt über „Gute Lebensverhältnisse in Stadt und Land“ gar ein eigenes Kapitel gewidmet.

Von großer Bedeutung bleibt die Städtebauförderung mit heute 790 Euro Millionen jährlich. Wir werden sie dauerhaft sichern und deutlich erhöhen. Sie trägt zu einer klimagerechten Stadt bei, stützt klein- und mittelständische Betriebe und leistet einen beachtlichen kommunalwirtschaftlichen Beitrag. Wir werden sie flexibilisieren und entbürokratisieren und die Einrichtungen der Baukultur stärken.

Wir orientieren uns an der Neuen Leipzig-Charta. Die durchmischte Stadt der kurzen Wege mit hoher Lebensqualität in den Quartieren, ist ein wichtiges Prinzip.

Neben der finanziellen Handlungsfähigkeit unserer Städte und Gemeinden sind unsere Kommunen und die Kommunalwirtschaft zentrale Akteure beim Klimaschutz, die bei dem angekündigten Sofortprogramm eine wichtige Rolle spielen. Die rechtlichen Anforderungen zur Förderung der Windenergie, die zusätzliche Installation von Solaranlagen auf Dächern und Freianlagen werden maßgeblich von Kommunen umgesetzt. Hinzu kommt die Wärmeplanung als ein maßgebliches Instrument zur Zielerreichung im Gebäudesektor, die die Kommunen ohne finanzielle Förderung des Bundes nicht werden umsetzen können.  Wir brauchen Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die rechtssichere Anwendung eines modernisierten Artenschutzrechts, die Einführung eines Flächenziels bei Windenergieanlagen und eine verpflichtende Beteiligung der Kommunen an der Wertschöpfung sowie der verstärkte Ausbau von Photovoltaikanlagen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Kommunen auch bei der Verkehrswende eine zentrale Rolle spielen, beim Ausbau der Ganztagsangebote an den Grundschulen, der Stärkung der öffentlichen Gesundheitsdienste (ÖGD) und der Sicherung des sozialen Arbeitsmarktes. Erst recht gilt dies für den Bereich der Bildung. Vom Digitalpakt bis zur Ausbildungsmarkt sind die Kommunen im Koalitionsvertrag als Akteure angesprochen, die Unterstützung erwarten können. Neben der Unterstützung von Kitas und Schulen werden wir den Ausbau der Smart-City fördern und ein Smart-City-Kompetenzzentrum einrichten.

Die Pandemie bedroht unsere Städte, sie gefährdet unser soziales Zusammenleben und wird noch viele Jahre ihre Spuren hinterlassen. Sichtbar geworden ist dies in unseren Zentren – nicht nur für Einzelhandel Gastgewerbe und Kultur.

Um unsere Stadt- und Ortsteilzentren langfristig zu sichern und sie als Orte von Lebensqualität für alle erlebbar zu halten, bedarf es erheblicher funktionaler, städtebaulicher und immobilienwirtschaftlicher Anpassungen. Das Bundesprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ fördert Städte und Gemeinden modellhaft bei der Erarbeitung von innovativen Konzepten und Handlungsstrategien mit insgesamt 250 Mio. Auch diesen Weg wollen wir mit der Städtebauförderung verbinden und weiterentwickeln.

Mit dem Koalitionsvertrag werden zentraler Herausforderungen in der Zeitenwende angenommen und Wege der Transformation beschrieben. Die SPD bleibt im Koalitionsvertrag ihrer Grundhaltung als Anwältin der Kommunen verpflichtet. Gut so!